Die letzte Krise war geiler
In der letzten Krise, 2008, da war der Schauer wohlig. Wir alle machten uns Gedanken darüber, was wohl geschieht, wenn es kein Geld mehr gibt. Wenn die Welt endet. Ob wir dann in der Lage sein werden, uns aufs Land durchzuschlagen, Kartoffeln zu stecken, und zu überleben bis die geerntet werden können. Ich prüfte eigenhändig, ob ich genug Diesel im Tank hätte, um aus der Stadt zu kommen, im Fall der Fälle. Ein guter Freund hortete Gold, das er als Hobby-Imker im Bienenhaus versteckte, weil niemand, nein wirklich nie irgendwer, auf dieses Versteck käme.
Das alles taten wir aber bei blendendem Wetter, einen Cappuccino in der einen, einen Aperol-Spritz in der anderen Hand haltend. In meiner Erinnerung gekleidet in gut sitzende Maßanzüge mit blauen Nadelstreifen.
Das war schön. Etwas bekloppt, aber stilvoll.
Die gegenwärtige Krise fühlt sich eher nach Ferienlager an. Aber halt in Woche zwei, wenn alles etwas fad wird, die Socken desjenigen, der im Stockbett über einen liegt, zu riechen anfangen, und eigentlich nichts Spannendes zu tun ist. Wenn der Koller einsetzt.
2008 war alles schön weit weg. Ja, das Geldsystem. Mein Gott, als ob irgendwer wüsste, was Geld eigentlich ist und wie es funktioniert und warum. Ein paar zehntausend arbeitslose Banker. Wer mag die schon. Also nicht den einen Banker, den man persönlich kennt, und der ganz nett ist. Ich meine: Banker als Klasse. Die sind doch doof. Außerdem haben die Geld, und wenn die ihren Job loswerden, dann machen die ein Year-on-the-beach und lassen sich die Sonne auf den Bauch scheinen.
Jetzt erwischt es die Leute in der Nähe, die wirklich etwas tun. Die zwar unterbezahlt sind, weil: wer hat schon Geld, die aber, das weiß man, tatsächlich sytemrelevant sind. Und die können wirklich krank werden oder sogar sterben. Das will keiner. Dem Banker gönnt man in guten Zeiten sein Gehalt, der Krankenschwester in schlechten Zeiten immerhin ihr Leben.
Jeder Mensch, der seine Sinne beisammen hat, hasst Homeoffice. Woher der gute Ruf dieser Einrichtung kommt, ist mir unerklärlich. Leute, die Lebenspartner oder gar Kinder haben, wissen, dass es nicht funktioniert. Leute, die in Deutschland leben und Internet brauchen, erst recht. Ein Land, das in der Krise auf das Fax angewiesen ist, hat den Untergang wahrlich verdient. Die BER-Eröffnung ist überraschenderweise ein weiteres Mal verschoben.
Die letzte Krise war abstrakt und glitzernd, die neue ist real und muffig.
Ich will eine neue Krise; die hier macht mir schon jetzt keinen Spaß mehr.